EDA 11: Pavel Haas: String Quartet No.2, Leoš Janáček: String Quartet No.2
II: Pavel Haas – String Quartet no. 2 op. 7 (1925)
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EDA 11: Pavel Haas: String Quartet No.2, Leoš Janáček: String Quartet No.2
I: Leoš Janáček – String Quartet no. 2 (1928)

1 Andante EDA 11: Pavel Haas: String Quartet No.2, Leoš Janáček: String Quartet No.2
I: Leoš Janáček – String Quartet no. 2 (1928)
1 Andante

2 Adagio EDA 11: Pavel Haas: String Quartet No.2, Leoš Janáček: String Quartet No.2
I: Leoš Janáček – String Quartet no. 2 (1928)
2 Adagio

3 Moderato EDA 11: Pavel Haas: String Quartet No.2, Leoš Janáček: String Quartet No.2
I: Leoš Janáček – String Quartet no. 2 (1928)
3 Moderato

4 Allegro EDA 11: Pavel Haas: String Quartet No.2, Leoš Janáček: String Quartet No.2
I: Leoš Janáček – String Quartet no. 2 (1928)
4 Allegro

II: Pavel Haas – String Quartet no. 2 op. 7 (1925)

5 Landscape EDA 11: Pavel Haas: String Quartet No.2, Leoš Janáček: String Quartet No.2
II: Pavel Haas – String Quartet no. 2 op. 7 (1925)
5 Landscape

6 Horse-cart, Driver and Horse EDA 11: Pavel Haas: String Quartet No.2, Leoš Janáček: String Quartet No.2
II: Pavel Haas – String Quartet no. 2 op. 7 (1925)
6 Horse-cart, Driver and Horse

7 The Moon and I EDA 11: Pavel Haas: String Quartet No.2, Leoš Janáček: String Quartet No.2
II: Pavel Haas – String Quartet no. 2 op. 7 (1925)
7 The Moon and I

8 A Wild Night EDA 11: Pavel Haas: String Quartet No.2, Leoš Janáček: String Quartet No.2
II: Pavel Haas – String Quartet no. 2 op. 7 (1925)
8 A Wild Night

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Die Stadt Brünn (Brno) spielte für Mähren eine zunehmend wichtige Rolle. Zwar stand sie jahrhundertelang im Schatten der Bischofsstadt Olmütz (Olomouc), doch seit dem späten 18. Jahrhundert wuchs ihre Bedeutung ständig – als einer wachsenden Industriestadt, eine der wichtigen Verkehrsknotenpunkte der k.u.k.-Monarchie, eines Verwaltungszentrums (als Hauptstadt Mährens) und zunehmend auch eines kulturellen Ortes. Der Einfluss der damals mächtigen Donaumetropole Wien auf Brünn war stärker als der des geographisch weiter entfernten Prag. Eine "Vorstadt von Wien" war der Prager Spitzname für Brünn, und die privaten wie kulturellen Verbindungen blieben auch nach 1918, als zwischen den beiden Städten plötzlich die neue österreichisch-tschechoslowakische Staatsgrenze stand, ziemlich stark. Auch Leoš Janáček (1854–1928), ansonsten ein entschlossener Protagonist der tschechischen Kulturwelt von Brünn, hatte bis zu seinem Tod ein philharmonisches Konzertabonnement im Wiener Musikverein und fuhr mittwochs mit dem Zug dorthin (und nach dem Konzert wieder zurück).

Janáček kam als elfjähriger Knabe nach Brünn und verbrachte dort sein ganzes Leben. Der begabte, temperamentvolle Junge wuchs während seinen Brünner und Prager Studienjahren vom kleinen Stipendiaten eines kulturell aktiven Augustinerklosters zum vielseitig interessierten Musiker und überzeugten tschechischen Patrioten. Nach dem Studium avancierte er zum Begründer und spiritus movens des Brünner Musiklebens – er rief eine Organistenschule ins Leben (die er lange Jahre als Direktor leitete), einen Konzertchor und eine Musikzeitschrift, er dirigierte, komponierte, sammelte und publizierte Volkslieder und war die eigentliche Säule der tschechisch orientierten Kulturwelt der Stadt. Wäre er mit 50 Jahren gestorben, würde er in den tschechischen Enzyklopädien als ein verdienter Folklorist und Musikpädagoge gepriesen werden – von einem Komponisten von Weltformat wäre keine Rede. Seine Zeit kam erst später, als seine Kreativität und die Ausdrucksintensitätseiner Musik in den letzten fünfundzwanzig Jahren seines Lebens in erstaunlicher Weise zunahm.

Eines seiner Umbruchswerke war die Oper Jenufa, an der er ein Jahrzehnt bis zur Brünner Premiere 1904 arbeitete und an der er vom interessierten Folkloristen zum echten Musikdramatiker wuchs. Dennoch vermochte er lange nicht, die Brünner Verhältnisse zu überschreiten, und erst in den ansonsten für Janáček persönlich sowie gesundheitlich deprimierenden Kriegsjahren (er lebte in materieller Not, wurde als russophil und Vorsitzender des Brünner "Russischen Zirkels" als "politisch verdächtig" eingestuft und polizeilich überwacht, fühlte sich isoliert und erkrankte) konnte er zwei große Erfolge erleben – die triumphalen Premieren von Jenufa im Prager Nationaltheater (1916) und an der Wiener Hofoper (1918).

Zum Höhepunkt seines Lebens wurden die letzten zehn Jahre (1918–28). Eigentlich schon im Ruhestandsalter, hat Janáček im wesentlich veränderten kulturellen und politischen Klima der Nachkriegszeit neue Kräfte gefunden und ist, ähnlich seinem Zeitgenossen und großen Vorbild Tomás Masaryk, vom unbequemen, unkonventionellen Außenseiter zu einer anerkannten Zentralfigur geworden. Im Brünner Kulturleben besaß er jetzt eine neue dominierende Stellung, und seine Kreativität wuchs trotz dieser Arbeitsbelastung in einer erstaunlichen Weise – in atemberaubendem Tempo schrieb er zwischen seinem 64. und 74. Lebensjahr vier neue Opern (Katja Kabanowa, Das schlaue Füchslein, Die Sache Makropulos, Aus einem Totenhaus), große Werke wie die Sinfonietta oder die Glagolitische Messe, Vokalmusik, unkonventionelle Kammerwerke und seine beiden Streichquartette Nr. 1 (nach Tolstois Kreutzersonate, 1923) und Nr. 2 ("Intime Briefe", 1928).

Auch die materielle Lage änderte sich nach jahrzehntelanger gezwungener Bescheidenheit drastisch – Janáček wurde nach dem ersten Weltkrieg nicht nur gesellschaftlich anerkannt, sondern stieg vom provinziellen Außenseiter zum Autor von Weltruf auf. Janáček war ein temperamentvoller, vitaler Mensch mit einer leidenschaftlichen Seele – deutlich hörbar in seiner Musik –, und die Frauen, ihr Leben und ihre Gefühle, haben ihn immer stark angezogen. Mehrere seine Opern haben weibliche Zentralfiguren (Jenufa, Katja, Elina Makropulos...), und Liebesgefühle spielten auch in vielen anderen Werken eine Schlüsselrolle. Lebenslang hat er nach einer starken, idealen Liebesbeziehung gesucht; ihr Ausbleiben hat sein heftiges Sehnen noch stimuliert.

Janáček war ein leidenschaftlicher Briefschreiber – schon in der Studienzeit schrieb er an seine damals kaum 15-jährige Braut Zdenka zwei bis drei Briefe täglich. Ähnlich dokumentieren auch hunderte seiner erhaltenen Briefe seine viel spätere stark emotionelle Beziehung zur (um 38 Jahre jüngeren) Kamila Stösslová, die Janáček in den letzten elf Jahren seines Lebens inspirierte. Janáček traf die Stösslová, Gattin eines jüdischen Antiquitätenhändlers, im Sommer 1917 in seinem geliebten Kurort Luhacovice, wohin er regelmäßig im Sommer (allein) zur Kur fuhr. Kamila hatte keine Ahnung von Musik, verstand ihn auf diesem Gebiet so gut wie gar nicht und war von der Leidenschaft des grauhaarigen Musikprofessors einigermaßen überrascht. Sie hat ihn wohl als eine hübsche, temperamentvolle junge Frau stark angezogen, und Janáček, der sich nach dem Tod seiner beiden Kinder und in einer ihn nicht völlig befriedigenden Ehe vereinsamt fühlte, entwickelte zu ihr eine so intensive (wenn auch, wie die Briefe zeigen, ziemlich einseitige) Beziehung, dass er ihr für den Rest seines Lebens über alle Details seines Schaffens manchmal täglich berichtete. Diese Briefe zeigen, dass Kamilas Bild in seiner Phantasie hinter vielen Frauenfiguren seiner letzten Meisterwerke stand.

Das Streichquartett Nr. 2 "Intime Briefe", das Janáček nur einige Monate vor seinem Tod am Anfang des Jahres 1928 in seinem üblichen schnellen Arbeitstempo schrieb, gehört mit der Oper Aus dem Totenhaus zu seinen letzten Werken. Janáček wollte in diesem Stück, wie seine Briefe schildern, seiner Liebe ein Monument setzen und sogar konkrete Momente und Situationen beschreiben. Ursprünglich hat er im Ensemble statt der Bratsche an die Viola d'amore gedacht, wobei ihn offensichtlich eher der Name als der nasale, ziemlich schwache und zum Ausdruckscharakter des Werkes wenig passende Klang dieses Instruments gefesselt hat. "Die Liebesbriefe" wollte Janáček das Werk zuerst nennen, aber dann weigerte er sich doch, seine Gefühle publik zu machen. Das viersätzige Werk, voll von leidenschaftlicher Spannung, ist ein typisches Beispiel für seine reife Kompositionstechnik, die seine Brünner Nachfolger vierzig Jahre später als "Montagetechnik" bezeichnet haben: kurze, deutlich abgegrenzte und durch Textur und oftmals Dynamik kontrastierende Abschnitte sind hier nacheinander gereiht und bilden trotz der starken Gebrochenheiten eine kontinuierliche tektonische Linie. Auch ohne die Viola d'amore zu verwenden, enthält das Werk klanglich und spieltechnisch viel Unkonventionelles – lange sul-ponticello-Phrasen am Anfang, Flageolettspiel, extrem hohe Lagen, akkordisches Pizzicato, leidenschaftliche Ausbrüche in dramatischen tremolo sul ponticello-Akkorden und eine aus Trillern gebaute dramatische Kadenz der zweiten (sic!) Geige vor dem Schluss – all dies trägt stark zur fesselnden Wirkung des Stückes bei.

Janáček konnte die Proben mit dem Mährischen Quartett noch miterleben und änderte dabei viele dynamische und Tempoangaben, die Uraufführung fand aber erst kurz nach seinem plötzlichen Tod statt. Heute gehört das Werk zu den meistgespielten Quartetten des 20. Jahrhunderts.

Pavel Haas (1899–1944) ist heute vor allem als Mitglied der Gruppe der "Theresienstädter Komponisten" bekannt, gemeinsam mit Viktor Ullmann (1898–1944), Hans Krása (1899–1944) und Gideon Klein (1919–1945). Die "Theresienstädter" waren jedoch keine homogene Gruppe. Abgesehen von der gemeinsamen jüdischen Herkunft hatten sie unterschiedliche Biographien und kulturelle Hintergründe – die aus Mähren stammenden Haas und Klein hatten Tschechisch als Muttersprache und standen auch musikalisch den Elementen der mährischen Folklore nahe, während Ullmann und Krása (wie der in einem anderen Lager internierte Erwin Schulhoff) mit deutschem Hintergrund künstlerisch wie menschlich eher international orientiert waren und eine Zeitlang in anderen Ländern lebten. Sie alle verbrachten unfreiwillig die drei letzten Jahre ihres Lebens in der Theresienstädter "Zwangsgemeinschaft", wurden mit demselben Transport im Oktober 1944 abtransportiert und fanden auch gemeinsam (bis auf Gideon Klein, der noch einige Monate überleben konnte) am selben Tag den schrecklichen Tod in den Auschwitzer Gaskammern.

Pavel Haas' Leben vor Theresienstadt war eng mit der Stadt Brünn verbunden. Er wurde hier als Sohn eines Kaufmanns geboren, war aber wie sein jüngerer Bruder Hugo (der später ein bekannter Schauspieler und Filmregisseur wurde und den Holocaust in der Emigration überlebte), stark künstlerisch orientiert. Nach kurzem Militärdienst trat er gleich 1919 in die Kompositionsklasse des neugegründeten Brünner Konservatoriums ein. Schon im folgenden Jahr hat ihn Leoš Janáček in seine ebenfalls im Vorjahr neugegründete Meisterklasse aufgenommen.

Das Brünner Musikleben hat nach 1918 neue starke Impulse erhalten und versuchte energisch, sich vom provinziellen Geist der k.u.k.-Zeit zu befreien. Neue Musikinstitutionen eröffneten dazu viele Möglichkeiten – das Konservatorium, die Meisterklassen für Komposition und Klavier, die musikwissenschaftliche Abteilung an der philosophischen Fakultät der neugegründeten Universität, später eine interessante und unkonventionelle musikalische wie literarische Tätigkeit der Brünner Rundfunkstation – das alles gab dem kulturellen Leben der zweitgrößten Stadt der damaligen Tschechoslowakischen Republik eine neue Dimension. Diese Veränderungen bedeuteten, entsprechend der demographischen Entwicklung, auch eine wesentliche Änderung der sprachlichen und kulturellen Orientierung der Stadt – die bis dahin deutliche deutschsprachige kulturelle Dominanz wich im neuen Staat der tschechischsprachigen. Dies hat Janáček – ein entschlossener tschechischer Patriot, der sogar die Brünner Straßenbahn wegen ihrer deutschsprachigen Aufschriften boykottierte und lieber überall hin zu Fuß ging – begeistert begrüßt; auch das Leben der Familie Haas hat diese Entwicklung beeinflusst. Die Familie stammte väterlicherseits aus Mittelmähren und war tschechischsprechend, die Mutter von Pavel und Hugo stammte aus Russland. Vater Haas entschied, seine Söhnen in eine deutsche Grundschule und die tschechische Mittelschule zu geben, um sie für das Leben in der zweisprachigen Stadt gut vorzubereiten. Entsprechend verwenden die vokalen Jugendwerke von Pavel Haas meistens deutsche Texte. Schon während des Krieges nahm Pavel Privatstunden bei einem tschechischen Musiklehrer; die Welt der mährischen Volkslieder hat ihn immer mehr absorbiert, und nach 1918 wuchs er immer mehr in die tschechischen Kulturkreise hinein.

Von solcher Art war das Klima, in dem sich die Musiksprache von Pavel Haas formte. Die impulsive, wenngleich manchmal wenig systematische Führung Janáček während des zweijährigen Studiums an der Meisterschule (1920–22) bot ihm viel Stoff zum Nachdenken und zu eigener Arbeit. Janáček unterrichtete die damals sieben Studenten gemeinsam wie auch einzeln und versuchte, den Schülern sowohl eine zeitgemäße kompositionstechnische Basis zu vermitteln, als sie auch mit Spezialgebieten bekanntzumachen – dazu gehörten besonders jene, die ihn selbst am meisten interessierten: die Arbeit mit Folklorematerial und die musikdramatische Komposition.

Die mährischen Volkslieder benutzte Janáček in seinem Kompositionsunterricht nicht nur als Inspiration, sondern als Vorlage für die vokalen und sogar die Instrumentalkompositionen seiner Schüler bis hin zur Orchestermusik. Janáček wollte, dass sich seine Schüler vom Text her, insbesondere von seiner Atmosphäre und seinem Ausdruckscharakter, in die musikalischen Strukturen versetzen und dessen subtile Änderungen auch rein musikalisch ausdrücken konnten.

Ähnlich gab Janáček, der selber in dieser Zeit vor allem an Opern arbeitete, seinen Schülern Abschnitte aus dramatischen Texten als Vorlagen zur Vertonung von Opernszenen (also keine gereimten Opernlibretti, wie es seiner eigenen Praxis seit Jenufa entsprach) und versuchte so, ihr musikdramatisches Gefühl zu entwickeln.

Haas arbeitete in dieser Zeit neben den Schulaufgaben an Liedern, Kammermusik (dem 1. Streichquartett op. 3, seinem Absolventenstück) und Orchestermusik (Trauriges Scherzo op. 5), und an Bühnenmusiken für die Brünner Theater. Nach dem Examen versuchte Haas, sich eine professionelle musikalische Existenz aufzubauen, wegen Mangels an Gelegenheiten widmete er sich jedoch zuerst gemeinsam mit dem Vater dem Familiengeschäft. Als Komponist hat er weiter für das Theater gearbeitet und schrieb auch weiterhin Konzertmusik. Eine große Liebe hat in diesen Jahren sein Leben beeinflusst, die aber wegen gesellschaftlicher Konventionen unerfüllt blieb. Seine Beziehung zur hübschen Marie Jarusková bildete den Hintergrund für sein Trauriges Scherzo und besonders die Fata Morgana op. 6 (1923) – ein Klavierquintett mit Solotenor auf Texte von Rabindranath Tagore. Das Streichquartett Nr. 2 op. 7 entstand 1925 als eine Reminiszenz an den vorjährigen Ferienaufenthalt in dem nahe gelegenen böhmisch-mährischen Hochland, das die Brünner Jugend "Affenberge" nannte – so kam es zum Untertitel des Werkes "Von den Affenbergen". Das viersätzige Stück hat eher Suitencharakter mit programmatischen Satztiteln und vielen konkreten Anspielungen. Der Komponist schrieb in der Musikzeitschrift "Hudební rozhledy" (7/1926) über das Werk: "Bewegung beherrscht diese ganze sorglose Komposition. Ob es nun um den Rhythmus der weiten Landschaft oder des Vogelgesanges, um die unregelmäßige Bewegung eines Pferdewagens auf dem Lande geht, um den warmen Gesang des menschlichen Herzens oder den stillen kühlen Fluss der Strahlen des Mondes, die ausgelassene Laune einer durchwachten und durchschwärmten Nacht oder um das reine, unschuldige Lächeln der Morgensonne... immer ist hier Bewegung, die alles beherrscht. Und deswegen muss ich besonders betonen, dass es gerade in dieser Komposition keine Vorsätzlichkeit oder Absonderlichkeit ist, wenn ich im letzten Satz Schlaginstrumente und Jazz benutze, denn diese Idee ist fest mit dem ursprünglichen Plan des Werkes verbunden, das rhythmisch und dynamisch im letzten Satz kulminiert."

Das 2. Quartett ist ein mehr als 30-minütiges Werk, das hinsichtlich der Arbeit mit dem Instrumentarium und der Entwicklung der Satztechnik den Beweis für die Professionalität des damals 26-jährigen Komponisten liefert. Haas arbeitet sehr variabel mit dem Streicherklang, wobei er eine breite Klangpalette vom lyrischen con sordino über klangmalerische Glissandi (2. Satz) bis zu scharfer jazzartiger Artikulation im Finalsatz verwendet.

Der erste Satz (Landschaft) entwickelt sich aus einem viertönigen Motiv in langatmigem Bogen über mehrere kontrastierende Abschnitte von spielerischem (Imitationen von Vogelgesang) und emotional wirkungsvollem Charakter bis zum energischem Schluss. Der zweite Satz (Kutsche, Kutscher und Pferd) ist ein für seine Zeit außergewöhnlicher Moment im Stück – Haas zeigt sich hier als humorvoller Beobachter des Dorflebens und malt mit musikalischen Mitteln ein Klangbild des mühevoll sich in Bewegung setzenden Landwagens (die Affinität zur kurz vorher in Brünn aufgeführten Pacific 231 von Honegger ist den Kritikern nicht entgangen). Glissandi, Pizzicati, repetierende Phrasen und Steigerungen bis zum kulminierenden Furioso – das sind die Mittel, derer sich Haas' geistreicher musikalischer Witz bedient. Der dritte Satz (Der Mond und ich) kehrt zum con-sordino-Klang des Anfangs zurück und zitiert im zweiten Teil des Satzes einige Abschnitte aus dem ersten Satz. Dies ist das lyrische Zentrum des Werkes; es beweist das große emotionale Potential des Komponisten und bildet einen scharfen Kontrast zu den bei den Nachbarsätzen. Im melodischen Duktus des Satzes sind übrigens auch hebräische Elemente, die bei Haas ebenfalls eine wichtige Rolle spielen, enthalten. Die meisten Kontroversen hat bei der Uraufführung der Finalsatz (Wilde Nacht) ausgelöst – Haas verwendet hier nicht nur motorische rhythmische Elemente und Jazzfloskeln (Rumba), sondern setzt in der Originalfassung zur Betonung dieses orgiastischen Charakters auch Schlaginstrumente ein (drei Fellinstrumente, drei Metall- und ein Holzinstrument). Der rhythmisch variable Satz (einschließlich "Janáček-artigen" kurzen Einschüben schneller Figuren) ist ein einziger Freudentaumel aus Rhythmus, Bewegung und Lebenslust, unterbrochen nur durch eine lyrischen Episode, die ein mährisches Volkslied bearbeitet – ein eindeutig autobiographisches Moment, denn eine frühere Bearbeitung desselben Liedes hatte er vier Jahre zuvor seiner Geliebten Marie Jarucková gewidmet.

Das Werk erntete nach seiner Brünner Premiere viel Kritik. Haas hat daraufhin die Schlaginstrumente aus dem letzten Satz entfernt, und in dieser Fassung hat das Stück bei den weiteren Aufführungen (1927, 1931) schon viel bessere Resonanz erzielt. Die vorliegende Aufnahme kehrt jedoch zur Originalfassung zurück und legt sie erstmals auf CD vor.

In den folgenden Jahren wirkte Haas als freischaffender Komponist und privater Musiklehrer in Brünn, komponierte Bühnenmusik, schrieb ein Auftragswerk für den Brünner Rundfunk (Rundfunkouvertüre op. 11, 1931), und sein in den dreißiger Jahren schon sehr populärer älterer Bruder Hugo gab ihm mehrmals Gelegenheit, Filmmusik zu schreiben. Vor allem arbeitete aber Haas an ernsten Vorhaben – einer Oper (Der Scharlatan, uraufgeführt 1938 in Brünn), an Vokalmusik (Die Auserwählte op. 8, Psalm 29 op. 12) und Kammermusik (Bläserquintett op. 10, ein ernstes und wirkungsvolles 3. Streichquartett op. 15, Suite für Oboe und Klavier op. 17). Haas konnte nur eine kurze Zeit des Familienglücks erleben, er heiratete 1935 eine (nicht jüdische) Ärztin. Die Ereignisse der Kriegszeit führten bald zur Isolation und der Theresienstädter Internierung. Dort schrieb er u. a. zwei seiner heutzutage meist aufgeführten Werke – Die Studie für Streicher, (für Karel Ancerl und sein Streichorchester) und Vier Lieder nach chinesischer Poesie (für den jungen Bassisten Karel Berman). Er war mit Sicherheit eines der größten Talente seiner Generation. Er starb mit 45 Jahren) bevor er eine Synthese seines Schaffens verwirklichen konnte.

Dr. Milan Slavicky

 

Erinnerung an Pavel Haas

Noch heute, nach mehr als einem halben Jahrhundert (es muss 1940 gewesen sein), ist die Erinnerung gegenwärtig: Pavel Haas steht machtlos vor fünfzig dreizehnjährigen Kindern und versucht, etwas wie Disziplin im Klassenzimmer zu erreichen. Er hatte einen schweren Stand. Dazu ein Wort der Erklärung. Die Jüdische Kultusgemeinde in Brünn versuchte, das Schicksal ihrer konsequent und "restlos" – ein bei den Nazis beliebtes Wort – verfolgten Mitglieder durch organisatorische Maßnahmen ein wenig erträglicher zu gestalten. Bezeichnenderweise handelte es sich überwiegend um Bildungsprogramme. Neben dem jüdischen Gymnasium, das schon vor dem 2. Weltkrieg gegründet worden war, wurden Umschulungskurse und eine technische Gewerbeschule geschaffen. Diese Maßnahmen boten zweierlei: Den jungen Menschen, die per Gesetz und Anordnung vom beruflichen Leben und von allen öffentlichen Bildungsmöglichkeiten ausgeschlossen waren, wurden sinnvolle Betätigungsfelder zur Verfügung gestellt, und eine Anzahl von Erwachsenen erhielt die Möglichkeit, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten als Pädagogen ebenfalls sinnvoll einzusetzen. Im Rahmen dieser Bestrebungen wurde Pavel Haas am jüdischen Gymnasium in Brünn als "Musiklehrer" angestellt.

Die Berufsbezeichnung habe ich mit Anführungszeichen versehen, weil es damals das Fach "Musik" an den mitteleuropäischen Gymnasien nicht gab. Was es gab, hieß "Gesang", was bedeutete, dass die Schülerinnen und Schüler im Wesentlichen mit Liedgut vertraut gemacht werden sollten. Ein solches Fach sprach die meisten meiner Mitschüler kaum an. Und was für Haas eine zusätzliche Erschwernis bedeutete – das Fach "Gesang" verfügte über kein Drohpotential. Im Gegensatz zu "Mathe" konnte man in "Gesang" nicht durchfallen. Nicht, dass Haas solche Druckmittel herbeisehnte; sie hätten aber sein Leben unbedingt erleichtert.

Die Erinnerung ist zwiespältig. Einerseits bewunderte ich Haas; man konnte sofort sehen, dass man einen äußerst introvertierten Künstler vor sich hatte, der schwermütig und konzentriert versuchte, seinen Schülern möglichst viel beizubringen. Auch hatte ich zu meiner großen Überraschung erfahren, dass Haas' Oper Scharlatan 1938 bereits auf dem Spielplan des Brünner Opernhauses stand, das Werk jedoch nach dem Münchner Abkommen wieder vom Spielplan genommen worden war. (Der Gedanke, dass ich ein halbes Jahrhundert später an der deutschen Übersetzung des Librettos mitarbeiten würde, kam mir damals wahrlich nicht.) Die andere Komponente meiner Empfindung war Mitleid. Wie konnte man einen so wehrlosen Künstler in diese demütigende Situation bringen?

Noch im gleichen Jahr lernte ich Pavel Haas genauer kennen – er besuchte meine Eltern. Wie diese Verbindung zustande kam, kann ich heute nicht mehr sagen, woran ich mich jedoch relativ genau erinnere, waren die fesselnden Beschreibungen einer der Kompositionsmethoden Janáčeks. Anschaulich beschrieb er dessen Sammeln und Verbreiten von sogenannten "Melodik-Elementen" des gesprochenen Wortes.

Nach Schließung des jüdischen Gymnasiums sah ich Pavel Haas erst im April 1942 im sogenannten "Ghetto" Theresienstadt wieder. Er war ein zutiefst niedergeschlagener Mann, der an einer im Lager weitverbreiteten, schleppenden Krankheit litt, einer Bindehautentzündung. Haas' Stimmung und Gesundheitszustand besserten sich in Theresienstadt nur langsam; die mit inhaftierten Musiker halfen ihm dabei, in dem sie ihn ersuchten, doch etwas für sie zu komponieren. Auch seine Existenzbedingungen besserten sich langsam. Zuletzt wohnte er mit seinem Freund, dem großartigen Pianisten Bernard Kaff, in einem sogenannten "Privatkabuff". So nannte man winzige "Wohnräume", die durch Zweckentfremdung von dazu nicht bestimmten Lokalitäten entstanden, z. B. durch die Verschalung eines toten Korridors. An die spartanische Behausung von Haas und Kaff erinnere ich mich noch, da ich für meine Klavierstunden bei Kaff durch Aufräumen des Kabuffs "zahlte". Der Raum enthielt zwei Pritschen und ein Wandbord mit interessanten Büchern.

Und noch eine letzte Erinnerung: Neue Erkenntnisse betreffend das Wesen von Pavel Haas gewann ich, als ich in Karel Ancerls "Symphonischem Streichorchester" als Geiger bei den Aufführungen der Studie für Streichorchester mitwirkte. Plötzlich wurde mir klar, dass Haas nicht nur ein melodisch und rhythmisch großartig begabter Meister war, sondern dass diese Persönlichkeit auch von einem sieghaften Willen (am deutlichsten im Fugenthema ausgebildet) getragen wurde, der es ihm ermöglichte, über die erniedrigenden Haftbedingungen zu triumphieren. Wenn Ancerl, der in Theresienstadt "hauptamtlich" Koch war, um seine – später in Auschwitz ermordete – Familie unterstützen zu können, die "Hauptmahlzeit" an die an der Ausgabestelle vorbeidefilierenden Mithäftlinge verteilte, was er gesenkten Hauptes tat, pfiff ich das Fugenthema aus der Studie. Er lächelte dann und gab mir, ohne aufzusehen, zwei Kellen statt der vorgeschriebenen einen. Danke.

Dr. Thomas Herbert Mandl

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